Computer, Zahlen, Diagramme, Uhren, Facebook, Timeframes, life work balance, personal goal achievement und ich weiss nicht was - manchmal bin ich es leid. Manchmal ist mir die moderne Zivilisation zu viel. Manchmal habe ich das Bedürfnis, meine Koffer zu packen und irgendwo hinzufahren, so weit weg wie möglich. Und wenn ich das Haus nicht verlassen kann, dann mache ich eben Urlaub im Kopf.
Kommen Sie doch einfach mit. Lassen Sie uns auf eine kleine Reise gehen. Entdecken Sie mit uns die “alte neue Welt” - das alte Lateinamerika. Unter dieser Überschrift werden hier zukünftig kleine Geschichten erscheinen. Geschichten, wie sie sich die Ureinwohner Mittel- und Südamerikas erzählt haben, bevor wir Europäer kamen. Geschichten aus einer Welt der Legenden, der Götter und mythischen Orte. Eine dieser Legenden beschreibt zum Beispiel, wie der Kolibri in die Welt kam.
Die Mayas sagen, dass alle Dinge auf der Erde von den Göttern aus Lehm und Mais erschaffen worden sind. Dabei haben sie jedem Tier, jedem Baum und jedem Stein eine Aufgabe zugewiesen. Als aller Lehm und aller Mais verbraucht war, fiel ihnen auf, dass sie etwas entscheidendes vergessen hatten. Die Menschen, die die Welt bevölkerten, besaßen nicht nur das Bedürfnis nach Behausung und Nahrung. Sie besaßen auch Wünsche und Sehnsüchte, die sie gern miteinander teilten. Die Götter hatten es aber so eingerichtet, dass die Menschen häufig weit entfernt voneinander lebten und daher diese Wünsche und Sehnsüchte nicht miteinander teilen konnten.
Da sie keinen Lehm oder Mais mehr hatten, konnten sie aber kein Tier herstellen, welches diese Aufgabe übernehmen konnte. Sie nahmen daher einen Jadestein und schnitzten einen sehr kleinen Pfeil daraus. Als er fertig war, bliesen sie darauf. Der kleine Pfeil erwachte zum Leben und flog sogleich davon. Sie nannten das winzige Ding “x ts'unu'um”; den Kolibri. Seine Federn waren so leicht und zerbrechlich, dass der Kolibri sich den zartesten Blüten nähern konnte, ohne ein einziges Blütenblatt zu bewegen. Seine Federn leuchteten wie Regentropfen in der Sonne und schimmerten in allen Farben. Die Götter waren sehr zufrieden mit dem, was sie da geschaffen hatten.
Natürlich erregte dieser kleine Vogel schnell die Aufmerksamkeit der Menschen. Sie waren fasziniert von der Schnelligkeit des kleinen Vogels, seinem eleganten Flug und wahrlich angetan von seinem bunten Gefieder. Sie versuchten natürlich diesen schönen Vogel zu fangen, ihn einzusperren und sich mit seinen schimmernden Federn zu schmücken. Die Menschen verfolgten also den kleinen Vogel, griffen nach ihm, bekamen ihn aber nicht so recht zu fassen. Zu flink und schnell war er. Was ein Glück war, denn der allzu rasche Griff einer Menschenhand hätte das kleine Ding sofort zerbrechen lassen. Doch war es nur eine Frage der Zeit, bis es einem der Menschen gelungen wäre, den kleinen Kolibri zu packen. Als die Götter die wilde Jagd sahen, wurden sie wütend. Sie unterbrachen die irre Hatz und erklärten den Menschen, was das da sei, was die Menschen zu fangen gedachten - was die Aufgabe des kleinen Vogels war. Er würde es sein, der die Gedanken der Menschen und ihre Sehnsüchte von hier nach dort tragen würde. Wenn die Menschen also einen Kolibri sähen, so die Götter, wisse der Beobachter, dass jemand weit entferntes gerade an ihn dachte. Die Menschen verstanden das und sahen ein, dass bestimmte Dinge nicht gefangen werden sollten und schon gar nicht eingesperrt gehörten. Der kleine Vogel war viel zu wertvoll, als dass er einem einzelnen hätte gehören dürfen. Sie wagten es daher nicht mehr, den kleinen, bunten Vogel zu fangen und einzusperren.
Oder haben Sie je einen Kolibri in einem Käfig gesehen?